1.1 Wiederholungen: Schneller

Im psychologischen Versuchslabor untersucht man die Wirkung von Wiederholungen oft in sogenannten Wiederholungspriming-Experimenten [2]. Priming kann mit Bahnung übersetzt werden. In einem typischen Bahnungsexperiment werden Versuchspersonen beispielsweise am Computer nacheinander Bilder von Tieren und Alltagsgegenständen gezeigt. Bei jedem Bild sollen die Versuchspersonen dann eine Kategorisierungsaufgabe durchführen. Man fragt etwa danach, ob ein Bild ein Lebewesen oder einen Gegenstand zeigt und lässt die Versuchspersonen so schnell wie möglich eine von zwei zugewiesenen Reaktionstasten drücken. Diese Aufgabe ist extrem einfach und Menschen können sie in Sekundenbruchteilen praktisch fehlerfrei durchführen. Interessant ist nun, was passiert, wenn Bilder nach einiger Zeit erneut präsentiert werden. Man findet dann, dass die Reaktionszeiten für wiederholte Bilder im Durchschnitt kürzer als die Reaktionszeiten bei den ersten Präsentationen sind. Dies bezeichnet man als Bahnungseffekt (oder kurz Priming).

Wie kommt der Bahnungseffekt zustande? Obwohl die Aufgabe so einfach ist, erfordert sie doch, dass in unserem Gehirn eine große Anzahl von Nervenzellen zusammenarbeiten. Unser Gehirn besteht aus einem Netzwerk mit ungefähr 86 Milliarden Nervenzellen, von denen jede einzige mit Tausenden anderer Nervenzellen verbunden sein kann. Es ist daher nicht übertrieben zu sagen, dass sich die Information des präsentierten Bildes durch einen gewaltigen Nervenzelldschungel bewegen muss, bis die Verarbeitung am Ende mit dem Tastendruck abgeschlossen wird. Wenn dieser Verarbeitungsweg einmal durchlaufen wurde, hinterlässt dies gewissermaßen einen Trampelpfad im Nervenzelldschungel. Bei einer Wiederholung des Bildes wird dieser Weg aufgrund der schon vorhandenen Spuren dann erleichert und die Durchquerung des Dschungels gelingt schneller. Mit anderen Worten, die Verarbeitung wird durch die Wiederholung effizienter.

Solche Bahnungseffekte wurden für alle möglichen „Versuchsreize“ (Bilder, Wörter, Geräusche, etc.) nachgewiesen. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass die Verkürzung der Bearbeitungszeit unabhängig davon ist, ob wir uns bewusst an die jeweiligen Versuchsreize erinnern oder nicht. Um dies zu demonstrieren, könnten wir das oben beschriebene Experiment so erweitern, dass Versuchspersonen nach der „Tier-oder-Gegenstand“-Entscheidung zusätzlich angeben sollen, ob es sich bei dem Bild um eine Wiederholung handelt oder nicht. Bei Hunderten von verwendeten Bildern werden Versuchspersonen etliche Bilder bei der zweiten Präsentation nicht als Wiederholungen erkennen. Die Aufgabe (Tier-oder-Gegenstand) erfordert dies ja auch gar nicht. Auch für diese „vergessenen“ Bilder kann dann gezeigt werden, dass die Reaktionszeiten gegenüber den Erstpräsentationen verkürzt sind. Bahnungseffekte spiegeln somit auch unbewusste Lernprozesse wider. Dieser Aspekt stellt einen wesentlichen Grundstein für das Verstehen der Wirkung von wiederholten Medienbotschaften dar: Es gibt Lerneffekte, zu denen wir keinen bewussten Zugang haben!

Quellen:

[2] Henson, R. N. A. (2003). Neuroimaging studies of priming. Progress in Neurobiology, 70(1), 53–81. https://doi.org/10.1016/s0301-0082(03)00086-8