1.3 Wiederholungen: Berühmter
Die erleichterte Bearbeitung wiederholter Information kann uns noch auf andere Art und Weise auf's Glatteis führen. Larry Jacoby und seine Kolleg*innen präsentierten ihren Versuchspersonenen in einer ersten Phase eines Wiederholungsexperimentes Namen von unbekannten Personen [4]. Diese unbekannten Namen sollten einfach gelesen werden. Einen Tag später wurde den Versuchspersonen wieder eine Liste mit Namen vorgelegt – jedoch diesmal mit der Aufgabe, zu entscheiden, ob es sich jeweils um eine berühmte oder eine nichtberühmte Person handelt. In dieser Testphase gab es a) nichtberühmte Namen vom Vortag, b) neue nichtberühmte Namen und c) neue berühmte Namen. Der Titel dieser Studie „Becoming famous over night“ (Über Nacht berühmt werden) verrät das Ergebnis: Nichtberühmte Namen, die in der ersten Phase des Experimentes vorkamen, wurden am zweiten Tag mit höherer Wahrscheinlichkeit für berühmt gehalten als neue nichtberühmte Namen.
Dieser sogenannten False Fame-Effekt (falsche Berühmtheit) ist eine weitere Demonstration für die Wirkung unbewusster Gedächtnisprozesse. Was passiert während des Versuchs im Gehirn der Versuchsperson? Die erstmalige Bearbeitung der zunächst unbekannten Namen hinterlässt wieder eine Spur. Wir könnten diese Spur auch als Gedächtnisspur bezeichnen, denn eine bleibende Veränderung in unserem Gehirn ist letztlich nicht anderes als die Bildung von Gedächtnisinhalten. Wenn sich unsere Versuchsperson in der zweiten Phase des Experimentes bewusst an einen Namen aus der ersten Phase erinnert, weiß sie, dass der Name nichtberühmt ist. (Alle Namen im ersten Teil des Experiments waren nicht berühmt.) Erinnert sich die Versuchsperson jedoch nicht an die Wiederholung, kann der unbewusster Gedächtniseffekt eintreten. In diesem Fall führt die vorhandene Gedächtnisspur, wie wir beim Priming-Experiment gesehen haben, zu einer erleichterten Verarbeitung. Diese erleichterte Verarbeitung wird vom Gehirn zwar registriert, aber erreicht nicht die Schwelle des Bewusstseins. Sie führt aber dennoch zu einem messbaren Effekt, nämlich dem schon beim Mere-Exposure-Effekt beschriebenen Gefühl der Vertrautheit. Der Grund für diese Vertrautheit wird dann fehlinterpretiert und in der vermeidlichen Berühmtheit der Person gesehen.
Situationen bei denen wir die genaue Quelle für die Vertrautheit mit etwas nicht mehr richtig zuordnen können, sind im Alltag nicht selten. Manchmal führt dieses Phänomen versehentlich sogar zu Plagiarismus – also dem unabsichtlichem Schmücken mit fremden Federn. Vielleicht haben Sie es auch schon erlebt, dass Ihnen jemand begeistert von einer ganz neuen Idee erzählt – die Sie selbst dieser Person kurz zuvor geschildert hatten! Möglicherweise haben Sie sich auch selbst schon unberechtigterweise für den kreativen Ursprung eines Gedankens, eines Reimes oder einer Musikkomposition gehalten, weil sie die echte Quelle vergessen hatten. Das kann peinlich sein, ist aber letztlich eine normale Konsequenz der Funktionsweise unseres Gedächtnisses.
Quellen:
[4] Jacoby, L. L., Kelley, C., Brown, J., & Jasechko, J. (1989). Becoming famous overnight: Limits on the ability to avoid unconscious influences of the past. Journal of Personality and Social Psychology, 56(3), 326–338. https://doi.org/10.1037/0022-3514.56.3.326