1.5 Wiederholungen: Zusammenschau

Die zentrale Botschaft dieses Kapitels ist, dass Wiederholungen wirken. Es ist daher nicht einfach nur ein nerviges Ärgernis, wenn der Präsident der U.S.A. über Monate seine fast 80 Millionen Twitter-Follower vor einer „Karawane“ von gewaltbereiten Kriminellen warnt [6]. Wir haben gesehen, dass auch wenig glaubwürdige Botschaften durch die Wiederholung an Glaubwürdigkeit gewinnen. Auch die BILD erreicht in Deutschland täglich über 8 Millionen Leser*innen [7]. Es ist allein aufgrund dieser großen Reichweite von Bedeutung, wenn die BILD systematisch abfällig über „die faulen Griechen“ berichtet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die meisten Leser*innen dieses Blatt eher wenig glaubwürdig finden (– zumal die übrigen Leitmedien ähnlich verzerrt berichtet hatten [1]). In der Masse formt diese Art der Berichterstattung die öffentliche Meinung in Richtung der gesendeten Botschaft.

Natürlich darf man die Befunde in diesem Kapitel nicht so verstehen, dass wir im Alltag den hier besprochenen Wiederholungseffekten vollkommen hilflos ausgeliefert sind. Es ist in der Regel nicht so, dass wir eine Politikerin nur deshalb wählen, weil wir sie besonders häufig auf Plakaten gesehen haben. Wir halten niemanden automatisch für einen Prominenten, nur weil wir irgendwann den Namen in einem anderen Kontext gelesen haben. Wir glauben auch nicht bedingungslos jeden Unsinn, nur weil er sehr oft wiederholt wurde. Aber diese grundlegenden, im Experimentallabor nachweisbaren, Effekte spielen zusammen mit anderen Faktoren eine wichtige Rolle. Sie sind wissenschaftlich gut belegte Bausteine, auf die unser Denken auch in der komplexen Welt außerhalb des psychologischen Versuchslabors aufbaut. Die wichtigste Erkenntnis dabei ist, dass Wiederholungen auf die Meinungsbildung wirken können, ohne dass wir uns dessen bewusst sein müssen. Wir sind daher gut beraten, immer dann genau hinzuschauen, wenn wir Wiederholungen einseitiger Botschaften bemerken.

Alle Quellen des Kapitels:

[1] Otto, K. & Köhler, A. (2016). Die Berichterstattung deutscher Medien in der griechischen Staatsschuldenkrise. IMK Studies, Nr. 45, Hans-Böckler-Stiftung: Düsseldorf.

[2] Henson, R. N. A. (2003). Neuroimaging studies of priming. Progress in Neurobiology, 70(1), 53–81. https://doi.org/10.1016/s0301-0082(03)00086-8

[3] Zajonc, R. B. (1980). Feeling and thinking: Preferences need no inferences. American Psychologist, 35(2), 151–175. https://doi.org/10.1037/0003-066X.35.2.151

[4] Jacoby, L. L., Kelley, C., Brown, J., & Jasechko, J. (1989). Becoming famous overnight: Limits on the ability to avoid unconscious influences of the past. Journal of Personality and Social Psychology, 56(3), 326–338. https://doi.org/10.1037/0022-3514.56.3.326

[5] Gibbons, J. A., Lukowski, A. F., & Walker, W. R. (2005). Exposure Increases the Believability of Unbelievable News Headlines via Elaborate Cognitive Processing. Media Psychology, 7(3), 273–300. https://doi.org/10.1207/S1532785XMEP0703_3

[6] twitter.com, search: “caravan (from:realDonaldTrump)” (letzter Download 05/2020)

[7] https://www.mediaimpact.de/de/portfolio/bild (letzter Download 05/2020)